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BAG WfbM fordert Anpassung des Infektionsschutzgesetzes

Bundesweite Werkstatt-Interessenvertretung wendet sich mit detaillierten Kritikpunkten an die Politik

Rund 320.000 Erwachsene mit Behinderungen sind deutschlandweit in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen beschäftigt. Die bundesweite Interessenvertretung der Werkstätten, die BAG WfbM, hat sich nun mit der Forderung an die Politik gewandt, noch vor Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes am 1. Oktober eine Anpassung der gesetzlichen Regelungen vorzunehmen und dabei auf die gravierendsten Fehlentwicklungen hingewiesen, die aus ihrer Sicht mit der Verabschiedung der Gesetzesänderung einhergehen.

Die mit dem Gesetz verbundenen praktischen Auswirkungen auf den Bereich der Werkstätten sind nach Auffassung der BAG WfbM nicht zumutbar und unverhältnismäßig. Adressaten der Forderung sind das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

"Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich über einen Zeitraum von über zwei Jahren klar gezeigt, dass Werkstattbeschäftigte nicht grundsätzlich zum vulnerablen Personenkreis gehören. Außerdem wurde deutlich, dass die Infektionsschutzmaßnahmen im Rahmen des coronabedingten Arbeitsschutzes, die in Werkstätten vollständig gelten und umgesetzt werden müssen, einen ausreichenden Schutz gewährleisten", so die BAG WfbM.

Trotzdem unterliegen Werkstätten ab dem 1. Oktober - im Gegensatz zu vergleichbaren Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes - wesentlich strengeren Anforderungen und Belastungen.

Dies betrifft die beschlossenen neuen Regelungen zur Maskenpflicht und zur Testpflicht sowie die Regelung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht.

Bezüglich der Regelungen zur Maskenpflicht merkt die Interessenvertretung an:

  • Die Verschärfung der Maskenpflicht führt dazu, dass Mitarbeiter und Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten für die gesamte Aufenthaltsdauer an ihren Arbeitsplätzen eine FFP2- Maske tragen müssen.
  • Gemäß den neuen Regelungen ist es nicht mehr möglich, trotz Abstandsregelungen sowie anderen Maßnahmen des Hygieneschutzes, die bereits dauerhaft in Werkstätten etabliert sind, die Masken abzusetzen.
  • Zusätzlich muss selbst in Einzelbüros bzw. an Einzelarbeitsplätzen durchgehend eine FFP2-Maske getragen werden. Es besteht eine große Verwunderung darüber, dass diese Regelung eingeführt wurde, ist sie doch strenger als alle bisherigen Regelungen seit Beginn der Pandemie sowie unpraktikabel, nicht zumutbar und unverhältnismäßig.
  • Die Verschärfung der Maskenpflicht auch für Besucher*innen (und damit häufig für Kund*innen) der Werkstätten mit gastronomischen Angeboten, Ladenlokalen und anderen Arbeitsbereichen mit Kundenverkehr bedeutet einen eindeutigen Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenzbetrieben, die diesen Pflichten nicht unterliegen.
  • Eine Refinanzierung der Anschaffungskosten von mehreren hundert FFP2-Masken pro Tag und Einrichtung erfolgt in der Regel nicht und geht damit zu Lasten des Arbeitsergebnisses der Werkstätten. Dies führt im schlimmsten Fall zu Entgeltkürzungen der Werkstattbeschäftigten.

Bezüglich der Regelungen zur Testpflicht wendet sich die BAG WfbM mit diesen Kritikpunkten an Politik und Öffentlichkeit:

  • Hier gilt das Gleiche wie bei der Maskenpflicht. Werkstätten mit gastronomischen Angeboten, Ladenlokalen und anderen Arbeitsbereichen mit Kundenverkehr erleiden durch die Pflicht insbesondere der Besucher*innen (damit der Kund*innen) einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenzbetrieben, die diesen Pflichten nicht unterliegen.
  • Im Gegensatz zum vorherigen Stand (auch des letzten Winters) sind keine unüberwachten Selbsttests des Personals zu Hause mehr möglich. Das ist ein Vertrauensentzug gegenüber diesen Personen und bedeutet in der Arbeitsorganisation einen immensen Mehraufwand.

Zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht stellt die BAG WfbM fest:

  • Die einrichtungsbezogene Impfpflicht läuft zum 1. Januar 2023 aus. Trotzdem wurde sie für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2022 noch verschärft. Wegen des bürokratischen Aufwandes für Einrichtungen und Ämter haben bereits mehrere Bundesländer bekanntgegeben, dass die Bundesregelungen lediglich eingeschränkt angewendet werden soll. Die Bundesebene und die Bundesländer sollten sich über die Praktikabilität und Umsetzung der bestehenden Regelungen verständigen.

Die BAG WfbM fordert daher noch vor Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Oktober eine Anpassung der gesetzlichen Regelungen im Sinne der Werkstätten und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen.

Den Originalbeitrag finden Sie hier auf der Seite der BAG WfbM.

Ergänzung: Zu dem Schluss, dass das neue Infektionsschutzgesetz Menschen mit Behinderung diskriminiert, kommen auch die Lebenshilfe Bruchsal-Bretten und die Hagsfelder Werkstätten und Wohngemeinschaften aus Karlsruhe. Deswegen haben deren Geschäftsführer am 5. Oktober gemeinsam Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Weitere Informationen hierzu finden Sie unter diesem Link.

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